Über die Treue zu den Dingen im Leben des Otto M.
Häuser spiegeln das Leben der Menschen, die in ihnen gelebt haben. Ihre Routinen, Gewohnheiten und Vorlieben schreiben sich in die Umgebung ein. Und irgendwann endet das.
Mein Blick auf die Dinge des Alltags im Haus meines Schwiegervaters wandelte sich, als Otto M. beschloss das Haus zu verkaufen, weil er im Alter von 92 Jahren dem selbständigen Leben dort nicht mehr gewachsen war. Fast sechs Jahrzehnte lang hatten Haus und Garten seine Familie und später ihn allein umgeben: Ort der Geborgenheit, Tätigkeit, Geselligkeit – eine schützende Hülle. Hier waren Dinge gestaltet, gepflegt, bewahrt worden, die das Wesen der Menschen, die sich mit ihnen umgeben hatten, sichtbar machten.
Aber was hatte Otto M. dazu gebracht, aus einer Konservendose und einem Stück Rohr eine Gießkanne herzustellen? Was hatte ihn bewogen, im Bad den Hebel eines alten Autoblinkers zur Installation des Abflusshebers zu nutzen? Weshalb wurde eine Fliegenklatsche repariert und nicht ersetzt? Es war nicht so sehr Sparsamkeit, sondern entstand aus Wertschätzung für das, was einmal nützlich gewesen war, kommentiert mit dem Satz: „Das ist doch noch gut“. Und es zeigte sich darin die Freude des KFZ Meisters am Konstruieren und Bauen: sein Erfindungsgeist.
Bewerkstelligt wurde all das im Keller, in einer Werkstatt, die mir manchmal eher wie die Installation eines Künstlers erschien. Überhaupt war der Keller ein Ort zum Staunen und Wundern. Nicht nur die Kartoffeln lagerten hier, sondern alles was vielleicht irgendwann noch nützlich werden könnte. Gläserdeckel, Vorratsdosen, Flaschen, Metall- und Holzreste und Putzutensilien entwickelten in der großen Fülle eine eigenartige Ästhetik.
Mit dem Auszug würde das alles verschwinden. Ich wünschte mir ein wertschätzendes Abbild davon zu bewahren. Mit dem Blick von Johanna Baschke, in Fotos festgehalten, erfüllt sich dieser Wunsch.
Viele der Dinge führen ihr Leben jetzt an neuen Orten weiter – sind zu Erinnerungsstücken und „Kunstobjekten“ geworden, werden genutzt von Anderen:
sind noch gut.
A.